Ein Zittern erschüttert den ganzen Fleischberg, der da – unfähig, ohne Einwirkung von Außen angemessen menschlich seine Position zu verändern – auf einem Küchenstuhl liegt. Die herabhängenden Auswüchse des mittig auf dem Stuhl positionierten „Hauptklumpens“ endigen sich in fußähnlichen, durch die Hände einer mit Sorge und Liebe strickenden älteren Dame, sprich Omma, entstandenen, Wollsocken. Der Fuß selbst ist als solcher nicht mehr zu erkennen und würde sich einer Überprüfung per Wärmebildkamera problemlos entziehen.
Die Temperaturen südlich der Knöchel lassen kein Leben mehr vermuten.
Plötzlich: bis an die Zähne bewaffnete BND-NSA-KGB-Hybriede schwingen sich klirrend und wild in sehr vielen Sprachen gleichzeitig brüllend durch das nur angekippte Küchenfenster. Als man aus einem Hubschrauber mit einer sehr großen Waffe auf den Klumpen zielt und ihm versichert, seinem Elend als außerirdische Daseinsform endlich ein Ende zu machen, setzt sich der Fleischberg erschrocken in Bewegung und erhebt sich kurzerhand vom Küchenstuhl. Die Männer quieken ebenso erschrocken, lassen andächtig ihre Maschinengewehre sinken und senden folgenden Funkspruch: „Cheeeef, falscher Alarm. Wir vermuten, dass es sich doch um so etwas wie einen Menschen handelt. Zumindest kann es stehen. Wir glauben, es hat Füße. Einen Kopf können wir nicht ausmachen, aber es liegt ja auch ne Decke drüber.“.
Der Zellhaufen blickt sich verwirrt in der Küche um. Warum genau war er jetzt nochmal aufgestanden? In den letzten Tagen hatte er immer diese Träume von strammen Geheimagenten, die ihn von seinem Leiden zu befreien in der Lage waren. Dafür waren sie ausgebildet worden. Jegliche andere Lebensform auf diesem Planeten war an dieser Aufgabe gescheitert und die Quarantäne, die dem Klumpen auferlegt wurde, um den Rest der Menschheit vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren, machte ihn nahezu lethargisch.
Eine Welle sengender Hitze ergreift die obere Ausstülpung des Haufen Elends, die noch die Reste eines vormals vollständigen IQs beherbergt. Bekanntermaßen vermindert sich dieser im Krankenhaus und im Urlaub um bis zu 20% (im Falle des Fleischberges kann man mit Abweichungen von bis zu 100% rechen) und lässt lediglich die Funktionen „setz dich wieder hin“, „einfach weiteratmen“ oder „töte mich“ zurück. Der Haufen setzt sich also wieder hin und atmete, da niemand zum töten in der Nähe war.
Die auf beinahe 40 Grad Celsius erhitzte Kopfwulst gibt ein klägliches Rasseln aus allen Öffnungen gleichzeitig von sich.
Um das Auslaufen aus zwei der Luftlöcher zu verhindern und die Umgebung nicht endgültig zu kontaminieren, führt eine mittig am Hauptklumpen angebrachte Fleischwurst einen vollständig durchnässten und verklebten Lappen Zellstoffs gen Wulstzentrum, und vermischt – unter ohrenbetäubendem Schnauben – den bereits verkrusteten Schleim mit frischem Eiter und Spuren von Blut. „Ekelhaft“, sagt ein einzelner Mossad-Agent, der sich noch ein Brötchen schmierte, bevor auch er den Rückzug antritt und den Zellberg wieder seinem Schicksal überlässt.
Dieser betastet mit den frostigen Stummeln der Fleischwurst vorsichtig das schorfige, erdbeerrote Gebiet rund um die Luftlöcher. Einige Hautschuppen lösen sich schmerzhaft und rieseln wie… tote Hautschuppen aus toter Haut sachte auf den stetig wachsenden Berg Zellstoffs zu Füßen des Klumpens. Darunter entblößt sich pures Fleisch. „Ekelhaft“, sagt der Mossad-Agent, der noch einmal zurück kam, um sich Milch in den Kaffee zu gießen.
Der Haufen Elend sinkt kraftlos in sich zusammen, zieht die Decke bis zum Ansatz der schmerzenden Hornfäden, die da wild und fettig aus seiner IQ-Wulst wucherten und schaltet den Laptop ein, um einen längst überfälligen Blog Eintrag darüber zu verfassen, das sein aktueller Zustand keine Bearbeitung sinnvoller Themen zulässt. Die Gesichtserkennung verweigert den Zugriff. Der Klumpen schaltet den Laptop wieder aus und beschließt, nur folgende Worte via Mobiltelefon in die ihm mittlerweile fremd gewordenen Welt zu senden: